Zunächst möchte ich hier eine kurze Inhaltsangabe anbieten: In der Novelle " Hadlaub " von Gottfried Keller, geschrieben 1878, wird der Aufstieg eines Bauernjungen zum erfolgreichen Minnesänger thematisiert. Inspiriert von seiner aufrichtigen aber scheinbar hoffnungslosen Liebe zum höher gestellten Mädchen Fides und angetrieben von seiner Faszination für die Kunst des Minnegesangs, entwickelt er sich selbst zum angesehenen Künstler und gewinnt schließlich doch die Liebe Fides'.

Hadlaub stellt eine dichterische Verarbeitung dokumentarischen Materials dar, in welcher die Zeiterfahrungen des Autors massiv mit hinein spielen. Angesezt ist sein Werk im ausgehenden Mittelalter, also in einer Zeit des( gesellschaftlichen ) Umbruchs. Nur auf den ersten Blick ist Minne das Hauptthema dieser Novelle, tatsächlich wird gerade diese überwunden, denn es geht hier um wirkliche Liebe: Fides ist nicht mehr nur Muse, nicht mehr nur eine anonyme Dame, sondern wird als individuelle Person charakterisiert - am Ende steht sogar die Liebesheirat! Geschildert wird zum einen Hadlaubs Aufstieg als Bürger - er entwickelt sich von einem Bauern durch Bildung und Tüchtigkeit zu einem freien Stadtbürger: in dieser jungen Neuzeit sind die sozialen Schichten also durchlässig und nicht mehr festgefahren und fixiert wie im Mittelalter. Auch sein Werdegang als Künstler wird abgehandelt: er beginnt als Rezipient, als Kopierer von Minneliedern und wird schließlich selbst zum Produzent, zum Dichter - allein durch die Schöpferkraft seines Geistes. In diesem Zusammenhang wird zudem sein Aufstieg vom Lehrling zum Meister geschildert, die er aus eigener Kraft durch Ehrgeiz und Beharrlichkeit herbeiführt. Hadlaub behandelt also die Zeit der beginnenden Renaissance unter Miteinbeziehung mittelalterlicher Termina und Normen, die zum einen durch die neuen Maßstäbe und zum anderen durch die Zeit des Autors massiv beeinflusst und verändert werden, sodass man an dieser Stelle sehr passend Goethe zitieren kann: Hadlaub ist " Dichtung und Wahrheit ".