Verzweifelte Menschen im Griff einer rachsüchtigen Wut Herman Melvilles Erzählungen sind großartig und atemberaubend spannend. Jetzt liegt eine neue Übersetzung vor, die alle bisherigen weit übertrifft. Von Wolfgang Schneider Es gibt in der Weltliteratur wohl kaum einen anderen Erzählband, der mit einem ähnlich breiten Spektrum aufwarten kann wie Herman Melvilles "Piazza Tales", Kernstück des vorliegenden Bandes. Da haben wir eine der berühmtesten Novellen überhaupt, angesiedelt im babylonischen Ziegelofen New York, wo um 1850 die Moderne zu brodeln beginnt: die rätselhafte Geschichte des Lohnschreibers Bartleby mit seinem Ersten Hauptsatz der Verweigerungsdynamik: dem ebenso schlichten wie rätselhaften "Ich möchte lieber nicht". Er möchte lieber nicht ein menschliches Kopiergerät sein; eigentlich möchte er überhaupt nichts und bleibt dabei doch unverbindlich freundlich. Der Mensch ohne Willen ist eine Irritation für eine Gesellschaft, die zusammengehalten wird von den Ambitionen ihrer Mitglieder. Es ist eine Geschichte, die man nach Kafka erst zu lesen gelernt hat, im Gegensatz zu den Zeitgenossen, die an den "Piazza Tales" vor allem die "Encantadas" geschätzt haben, eine düster-atmosphärische Episodenfolge über die Galapagos-Inseln, die Melville, anders als sein Zeitgenosse Darwin, als verworfene, metaphysisch unwirtliche, von Reptiliengezisch beherrschte Weltregion beschreibt. Eine danteske Vulkangestein-Einöde wird vors Leserauge gerückt, uralte Riesenschildkröten kriechen darin herum wie die verwunschenen Gefangenen einer Strafkolonie. Das stärkste Kapitel widmet sich der Robinsonade einer Frau - in Melvilles epischer Welt erwähnenswert genug. Bei der "einsamen, schiffbrüchigen Seele" Hunnila schimmert eine Wahlverwandtschaft mit Bartleby durch, und in einem beiläufigen Satz formuliert Melville eine ganze Poetik: "Wer nicht mitfühlt, der liest umsonst." Dann gibt es eine Renaissance-Novelle über einen Turmbaumeister, Glockengießer und Automaten-Erfinder, der zu hoch hinaus will und am Ende von seinem eigenen Klöppler-Geschöpf erschlagen wird - die Geschichte einer Hybris, die etwas von Poe oder E.T.A. Hoffmann hat. An Kleist erinnert "Benito Cereno", die ungeheuerliche Erzählung über die Rebellion auf dem Sklavenschiff San Dominick. Hier hat Melville den auf den Bürgerkrieg zutreibenden Grundkonflikt der amerikanischen Gesellschaft verdichtet und moralisch aufrüttelnd dargestellt - eine atemberaubend spannende Lektüre mit Schreckensbildern von filmischer Intensität. Gleich anschließend lernt man den Autor als Satiriker kennen: In der Kurzgeschichte "Der Blitzableitermann" geht es um einen geschäftstüchtigen Handlungsreisenden, der den Menschen mit schauerlicher Dramatik die Gewitterfurcht einredet, auf dass sie ihm seine Ware abkaufen. Und als Zugabe folgt "Billy Budd", das postume Spätwerk, das erst 1924 aus einer verschlossenen Brotdose ans Licht der staunenden, gerade zur Melville-Wiederentdeckung ansetzenden literarischen Öffentlichkeit kam. "Oh, hätte ich das geschrieben ... ,Billy Budd' ist wirklich eine der schönsten Geschichten der Welt!" - so das Urteil Thomas Manns.
發表於2024-12-28
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